Keine einheitliche Meinung Bundestagskandidaten debattieren in Lehe über Ärztemangel und Landflucht

Bericht aus der Ems-Zeitung vom 10.09.2021

 

 

 

Von Kristina Müller


Lehe. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl beginnt nun die heiße Phase. Bei einer Podiumsdiskussion der Landfrauen in Lehe gingen die Meinungen der Bundestagskandidaten zum Ärztemangel, Landflucht und Ehrenamt teils weit auseinander.

Wofür stehen sie und was möchten sie für den ländlichen Raum sowie für die Landwirtschaft tun? Dieser und weiteren Fragen stellten sich Gitta Connemann (CDU)Anja Troff-Schaffarzyk (SPD)Ferhat Asi (FDP)Julian Pahlke (Grüne) und Kai Jesiek (Linke) am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion im Hotel Lüssing in Lehe auf Einladung der Landfrauen. Ebenfalls geladen waren eigentlich auch Holger Kühnlenz (AfD), der jedoch unentschuldigt fehlte, sowie Rafael Gil Brand (Die Basis), der mangels Nachweises einer Impfung, Genesung oder Testung nicht an der Veranstaltung teilnehmen durfte. Der achte im Bunde, Gerd Balzer vom Internationalistischen Bündnis aus Hamburg, war wohl nicht eingeladen. 

Im eher spärlich besetzten Saal warb Annelene Ewers, Bezirksvorsitzende der Landfrauen Emsland-Grafschaft Bentheim, eindringlich dafür, das Wahlrecht wahrzunehmen und diese Botschaft auch weiterzutragen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Kandidaten moderierte Lambert Hurink, Geschäftsführer des Emsländischen Landvolks, die mit teils bissigen Spitzen gespickte Diskussion, bei der wahrlich "kein Einheitsbrei präsentiert" wurde, wie Hurink im Anschluss bilanzierte. Im Fokus der Fragen standen besonders die Landwirtschaft und die ländlich geprägte Region.

Die Ziele: 

Zunächst bat Hurink die Kandidaten darum, die zwei wichtigsten Vorhaben im landwirtschaftlichen Bereich und speziell für den ländlichen Raum kurz zu skizzieren. Connemann, die sich selbst als die "Stimme des ländlichen Raums im Bundestag" bezeichnet, forderte ein "Belastungsmoratorium", also einen Auflagenstopp für Landwirte, in Verbindung mit einer "Entfesselungsoffensive" sowie die Honorierung von CO2-Bindung im Hinblick auf den Klimaschutz.

Pahlke hingegen will auf fair bezahlte aber auch klimaschützende Lebensmittelproduktion setzen sowie Regionalbudgets beispielsweise für Kultur oder Jugendförderung. 

Jesiek hingegen legte seinen Fokus auf gerechtere Verteilung von Subventionen für Landwirte abgekoppelt vom Flächenbesitz und plädierte für flexiblen Nahverkehr. 

Verlässliche Rahmenbedingungen für nachhaltige Landwirtschaft, regionale Vermarktung von Produkten und Ausgleichzahlungen waren die Stichworte von Troff-Schaffarzyk, die gleichzeitig auf "Glasfaser bis zur letzten Milchkanne" und Mobilfunkempfang in jedem noch so kleinen Ort setzen will. 

Auch Asi forderte verlässliche und faire Rahmenbedingungen für Landwirte – und das gar auf europäischer Ebene – und möchte außerdem die medizinische Versorgung sichern. 

Medizinische Versorgung:

Ärztemangel war denn auch das nächste Stichwort. Asi zufolge muss nicht nur die Attraktivität auf dem Land erhöht werden, sondern viel früher schon bei der Ausbildung angesetzt werden. Wenn es nach ihm geht, sollte die Zahl der Studienplätze erweitert, der NC durch eine praxisorientierte Auswahl abgelöst sowie Universitäts-Zweigstellen im ländlichen Raum etabliert werden. Troff-Schaffarzyk fehlt dagegen die Wertschätzung für den Hebammenberuf und möchte diesen mit besseren Rahmenbedingungen stärken. 

Connemann warf hingegen den Blick auf andere Bereiche wie Apotheken, Ergo- und Physiotherapeuten sowie Pfleger und hofft bei letzteren auf den Erfolg der flexiblen Ausbildung von "Generalisten". Im Hinblick auf den Ärztemangel sieht sie eine Chance in der Telemedizin. Pahlke forderte gerade für Heilberufe mehr Schulplätze aber auch eine faire Vergütung. Jesiek sieht die Lösung eher in der Rekommunalisierung von Krankenhäusern in privatwirtschaftlicher Hand. 

Einig waren sich alle Kandidaten jedoch darin, dass bei der medizinischen Versorgung auch auf Migration aus dem Ausland gesetzt werden müsse.

Stärkung des Ehrenamts:

Um einen Anreiz für das Ehrenamt zu schaffen, halten Pahlke und Jesiek es für sinnvoll, das ehrenamtliche Engagement durch Rentenpunkte zu honorieren. Connemann hingegen hält das für finanziell nicht machbar und will stattdessen eher die Bürokratie für Ehrenamtliche abbauen und sie mit Anlaufpunkten unterstützen. Ähnlich sieht es auch Troff-Schaffarzyk, die zusätzlich bessere Möglichkeiten für Freistellungen vom Beruf schaffen möchte. "Irgendwie muss es doch einen Dank geben", findet Asi und möchte dies mithilfe einer Art "Anerkennungsportal" erreichen, bei dem Gutscheine für Engagement ausgeschüttet würden. 

Landflucht verhindern: 

Digitalisierung ist entscheidend, um Landflucht zu verhindern – darin waren sich die Kandidaten mehrheitlich einig. Daneben möchte Troff-Schaffarzyk Arbeitsplätze durch Tourismus sowie durch die Ansiedlung von Firmen stärken, die an zukunftsweisenden Technologien arbeiten. Jesiek zufolge müssen die "Lebensmöglichkeiten denen in der Stadt angepasst werden", weshalb er auf einen besseren ÖPNV setzen würde. 

Asi sorgt sich um den Erhalt der Mobilität vor Ort und plädiert daher neben der Stärkung der Infrastruktur für eine Senkung der Mineralölsteuer. Pahlke dagegen hält den Einsatz von E-Autos und Lastenrädern auch auf dem Land für sinnvoll und verspricht eine "Mobilitätsgarantie". Connemann wünscht sich in dieser Diskussion allerdings "weniger Ideologie" seitens der Grünen und dafür mehr Flexibilität für regionale Verkehrskonzepte.

 

Als „#gamechanger“ das Spiel ändern

 

Fußballerinnen des SV Meppen und Aktionsbündnis kooperieren beim Equal Pay Day

 

 

 

Meppen. Eine nicht alltägliche Kooperation sind die Frauenfußballerinnen des SV Meppen und das Aktionsbündnis des Equal Pay Days (EPD) eingegangen: Die Bundesligistinnen nehmen das Heimspiel am 7. März gegen den VfL Wolfsburg zum Anlass, um auf den großen Unterschied bei der Bezahlung von Sportlerinnen und Sportlern hinzuweisen. Um damit bei Fans, Sponsorinnen und Sponsoren sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern ein Umdenken zu bewirken, werden sie zu „#gamechangern“ - so das Motto des diesjährigen Equal Pay Days, der bundesweit am 10. März stattfindet.

 

 

 

Frauenfußball lebt im Gegensatz zum Männerfußball noch überwiegend vom Ehrenamt. Hinter und vor den Kulissen sind Frauen wie Maria Reisinger, sportliche Leiterin der Frauenmannschaft, für den Erfolg der Frauen im Fußball mitverantwortlich. Sie setzt sich gerne für den EPD ein: „Ich finde es wichtig, auf dieses Missverhältnis aufmerksam zu machen angesichts der hohen sportlichen Leistung, die sowohl Frauen als auch Männer im Profifußball erbringen“, sagt sie. Reisinger war darum sofort überzeugt davon, beim diesjährigen EPD mitzuwirken. Mit ihm wird deutschlandweit darauf hingewiesen, dass es zwischen dem Bruttoverdienst von Männern und Frauen aktuell eine Entgeltlücke von 19 Prozent zu Ungunsten der Frauen gibt. Der Wert wird vom Statistischen Bundesamt erhoben.

 

 

 

Die Idee für das Zusammengehen mit dem SV Meppen in dieser Sache entstand in einem Planungsgespräch des Aktionsbündnisses, das bereits seit 2016 besteht und jährlich eine gemeinsame Aktion anlässlich des EPD durchführt. „Wir haben uns am Motto #gamechanger orientiert und fanden, am Beispiel des Frauenfußballs wird sehr gut deutlich, wie die bisher geltenden Regeln durch neue ersetzt werden können und das Spiel sich im wahren Wortsinn ändert“, erläutert Marlies Kohne, Gleichstellungsbeauftragte beim Landkreis Emsland, warum sie  im Namen des Bündnisses das Gespräch mit dem SV Meppen suchte. Sie stieß dabei auf offene Ohren. Und so betont auch Ronny Maul, Geschäftsführer SV Meppen: „Die Bereitschaft, auf dieses Ungleichgewicht im Fußball hinzuweisen, war sofort da. Wir wollen ein Stück weit aufrütteln“.

 

 

 

Teil der Informationsoffensive wird unter anderem während des Spiels am 7. März entsprechende Bandenwerbung sein, die das Motto #gamechanger aufgreift. Das Banner, mit dem die Frauen auf den Platz einlaufen, wird ebenfalls diesen Schriftzug tragen und auch in Interviews in der Spielhalbzeit sowie in Beiträgen für das Stadionmagazin „Neunzehn 12“ des SV Meppen soll das Thema vertieft werden. Immer im Vordergrund auch die Farbe Rot, die das Anliegen des EPD symbolisiert.

 

 

 

Mit dem Thema Lohnentgeltlücke befassen sich auch die großen Vereine, Verbände und Organisationen im Emsland, darunter die Katholische Frauengemeinschaft (kfd), der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die Frauen im ev.-luth. Kirchenkreis Emsland-Bentheim, die LandFrauen, der Sozialverband (SovD) und die Gleichstellungsbeauftragte der Agentur für Arbeit. Sie alle zählen, neben der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, zum Aktionsbündnis EPD und engagieren sich mit dieser gemeinsamen Aktion für einen fairen Lohn für Frauen.

 

 

 

 

 

Bild: Nicht nur die Frauenmannschaft des SV Meppen, sondern auch die Herren machen sich stark für die Anliegen des Equal Pay Days. Thilo Leugers,   Lisa-Marie Weiss,   Janik Jesgarzweski und Jenny Bitzer (vorne v. l.) sowie die Mitglieder des Aktionsbündnisses (hinten) machen auf den 10. März aufmerksam.  (Foto: SV Meppen)